Revision einer Zorki 1c von 1953
Der Winter ist noch nicht vorbei, also was gibt es schöneres, als bei einem Glas Rotwein und einer Bruckner Sinfonie eine alte Kamera ins Leben zurück zu holen.
Wenn mir eine Zorki 1 für weniger als 30,-EUR über den Weg läuft, dann schlage ich immer zu, und kurz darauf liegt sie bei mir auf dem Seziertisch. So sind schon einige Dutzend Zorkis durch meine Hände gegangen, die ich in der Regel nach der Revision wieder verkauft habe. Meistens bekomme ich dafür auch nur die 30,-EUR wieder, die ich ausgegeben habe. Geld verdienen kann man mit der Revision also nicht.
Es lohnt sich beim Kauf einer Zorki 1 immer, auf der Website Sovietcams nachzuschlagen, denn manchmal laufen einem echte Raritäten über den Weg, die man vielleicht nicht sofort als Besonderheit erkennt.
Hier begleite ich eine Zorki 1C von 1953 bei der Revision mit der Kamera. Ich habe sie bei ebay-Kleinanzeigen für 30,-EUR gekauft. Wenn – wie hier – in der Artikelbeschreibung das Wort „ungeprüft“ steht, funktioniert die Kamera hundertprozentig nicht mehr. In der Regel bekommt man den Verkäufer vorher nicht mal dazu, den Verschluss aufzuziehen und klacken zu lassen. Irgendwie scheinen alle Verkäufer, an die ich gerate, beide Hände bis zum Schultergelenk eingegipst zu haben.
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Diese Zorki war äußerlich in einem mittelmäßigen Zustand. Der Verschluss ließ sich zwar aufziehen, aber nicht auslösen. Eine erste Linderung brachte das Lagern der Kamera auf der Heizung, aber auch dann musste ich meistens mit einem leichten Drehen des Zeitenrads (bei gespanntem Verschluss) das Auslösen unterstützen. Das ist ein sicheres Zeichen, dass nichts kaputt ist, sondern verharztes Öl und Schmutzpartikel die Zahnräder blockieren.
So kommt also das große Herrengedeck, bestehend aus verschiedenen Schraubendrehern, Bremsenreiniger, Ballistol, Zahnbürste, Politur und Öhrli-Böhrlis auf den Tisch.
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Das Ausziehen geht immer von oben nach unten, also mit den Deckaufbauten beginnend. Die vier runden Fensterchen für Sucher und E-Messer drehe ich vorsichtig mit der kleinen Zange heraus.
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Man kann sich hundert mal vornehmen, alle Schrauben ordentlich aufzubewahren, bei mir hat das aber nie funktioniert. Deshalb habe ich es mir angewöhnt, alle Schrauben und Einzelteile mit Tesafilm auf ein weißes Blatt Papier zu kleben und den Einbauort zu notieren.
Gibt es bei der Demontage etwas besonderes zu bedenken? Vielleicht, dass sich der große Knopf nach dem Entfernen der Sicherungsschraube nicht abziehen sondern nur abschrauben lässt (normales Rechtsgewinde). Der Rest ist einfach. Das Zeitenrad ist mit zwei sehr kleinen Schrauben fixiert, das Rückstellrad mit einer großen Schraube. Beim Abziehen des schwarzen Kamerakörpers muss man vorher den Arm für die E-Mess-Kupplung eindrücken. Außerdem können die beiden Federn für die Andrückplatte leicht wegfliegen. Egal, zwanzig Prozent der Gesamtzeit liegt man sowieso auf allen vieren unter dem Tisch und sucht.
Keine 10 Minuten später steht Ludmilla nackt vor mir.
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Dann kommt der Bremsenreiniger zum Einsatz. Mit dem langen Röhrchen kann man die schnell verdunstende Flüssigkeit genau dort hin bringen, wo man sie haben will. Ich halte die Kamera über der Schüssel immer etwas schräg, damit der Bremsenreiniger ablaufen kann, ohne Teile zu kontaminieren, die besser trocken bleiben (Entfernungsmesser). Da der Bremsenreiniger mit Druck aus der Dose kommt, kann man damit sehr gut Anhaftungen lösen und ausspülen.
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In den Jahrzehnten hat sich eine ganze Menge Schmutz angesammelt und abgelagert. Mit dem Bremsenreiniger werden alle Zahnräder wieder schön sauber und freigängig.
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Starke Verschmutzungen bekommt man mit der Zahnbürste weg. Hier empfiehlt es sich, nicht die eigene Zahnbürste, sondern die eines Familienmitglieds zu nutzen.
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Die Kamera ist jetzt von verharztem Öl und Schmutz befreit und wartet auf den Ölservice.
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Mit Ballistol – wieder aus der Sprühdose mit dem langen Röhrchen – werden jetzt vorsichtig die beweglichen Teile geschmiert und überschüssiges Öl mit Haushalttüchern aufgenommen.
Auf dem Bild setze ich einen Tropfen Ballistol auf den E-Mess-Kuppler. Ich besitze eine Zorki 3, bei der war dieser Arm in seinem Lager so fest, dass er sich auch mit Gewalt ums Verrecken nicht mehr bewegen ließ. Ich habe immer wieder Ballistol draufgegeben. Irgendwann ließ er sich wieder etwas hin und her bewegen. Es war nicht damit zu rechnen, dass er wieder richtig frei federn könnte. Das Ballistol hat die Verbindung wieder völlig aufgelöst, und jetzt läuft der Arm wieder wie Vanillesauce.
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Da man wegen der Bodenladung bei einer Zorki 1 oder auch Leica II/III nur in vollständig zerlegten Zustand durch den Verschluss sehen kann, bietet sich hier die Prüfung an, ob die Verschlusstücher tatsächlich lichtdicht sind. Gerade die gummierte Seite des zweiten Verschlusstuchs löst sich im Alter gern. Es lässt sich nur in begrenztem Umfang reparieren. Das Verschlusstuch dieser Zorki hat einige kleine Löcher, durch die Streulicht fällt. In anderen Quellen wird empfohlen, Flüssiglatex für die Reparatur zu nutzen. Leider ist Flüssiglatex ziemlich teuer und auch nur in größeren Gebinden zu bekommen. Ich nutze dafür Flüssigleder, das ich zusammen mit einem Leder-Reparaturset für mein Auto gekauft habe. Mit einem Öhrli-Böhrli drücke ich die schwarze Masse hauchdünn über das Feld mit den kleinen Löchern. So lassen sich die Beschädigungen schließen, ohne dass sich die Konsistenz des Verschlusstuchs verändert.
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Die Zorki 1 C hat leider nicht mehr die schöne, unzerstörbare Haihaut-Belederung wie ihre Vorgängerinnen. Ludmilla sieht hier auch schon ganz schön abgegriffen aus. Ich schnappe mir einen Topf Hammerite-Mattlack sowie einen alten Lappen und reibe den Korpus damit halbtrocken ab, so dass zumindest etwas von der alten schwarzen Farbe wieder kommt.
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Die blanken Metallteile poliere ich mit Chrompolitur und einer Zahnbürste in den Neuzustand zurück. Danach werden sie in Ballistol gebadet und trocken gewischt.
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Halbzeit. Jetzt ist alles piccobello sauber und funktionsfähig. Nun geht´s wieder ans zusammen setzen.
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Die Haube sitzt wieder auf dem Entfernungsmesser. Die Fensterchen lassen sich gut mit der Hand einsetzen. Die folgenden zwei Bilder zeigen den „Ausguck“ des Entfernungsmessers. Dieses Fenster ist anders als die anderen drei, auch wenn es auf den ersten Blick gleich aussieht. Mit diesem Fenster wird der Entfernungsmesser in der Höhe justiert. Die kleine Öffnung rechts vom eckigen Sucherfenster ist der Eingang zu einer sehr feinen Schraube, mit dem man den Entfernungsmesser in der Seite (auf unendlich) justiert. Nur beides zusammen bringt vernünftige Ergebnisse.
Die Kamera kann man natürlich erst dann justieren, wenn man sie wieder komplett zusammengesetzt hat. Ich erzähle aber jetzt schon wie es geht:
Für das Justieren wähle ich einen symmetrisch geformten Gegenstand, der mindestens 20 Meter (also unendlich) weit weg ist. In meinem Fall nutze ich den Giebel des Nachbarhauses. Wenn das Objektiv auf unendlich gestellt ist, sollte sich das Motiv (der Giebel) im gelben Bild im E-Messfenster mit dem echten, klaren Bild genau decken. Wenn der Giebel im gelben Bild höher oder niedriger als im klaren Bild steht, dann justiert man den inneren Ring im Ausguckfenster des E-Messers mit einer Nadel. Das runde Justier-Fenster sieht man auf dem zweiten Bild im eingeschraubten Zustand. Man steckt eine Nadel in das kleine Loch und dreht den inneren Ring, bis das gelbe und das klare Bild in der Höhe deckungsgleich sind. Wenn es passt, schraubt man den Chromring wieder drauf.
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Danach justiert man die Seite, wenn die Bilder zwar in der gleichen Höhe, jedoch neben einander liegen. Jetzt kommt ein sehr feiner Schraubendreher zum Einsatz, den man in das kleine Loch rechts vom eckigen Sucherfenster steckt. Man dreht die Justierschraube jetzt vorsichtig nach links und rechts, bis beide Bilder im E-Messsucher hundertprozentig deckungsgleich liegen. Dann noch die kleine Verschlussschraube wieder rein und der Fisch ist gelutscht.
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Die beschriebene Vorgehensweise bezieht sich auf die Justierung auf unendlich. Über den Arm des E-Messers lässt sich auch die Justierung auf kurze Entfernungen einstellen. Dazu benötigt man aber eine baugleiche, korrekt justierte Referenzkamera. Bei meinen Zorkisten ist das bisher noch nicht notwendig gewesen.
Der Rest ist schnell erzählt. In der umgekehrten Reihenfolge werden die gesäuberten Teile wieder zusammen gebaut. Jedes Bauteil und jede Schraube ziehe ich vor dem Einbau durch ein Ballistolbad.
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Ein bisschen figgelinsch wird es dann, wenn man das Zeitenrad wieder aufsetzen will. Es wird von zwei sehr kleinen Schrauben auf der Welle gehalten. Es gibt dabei keine Rastpunkte, die dem Schrauber verraten, dass die angezeigte Verschlusszeit auch die tatsächlich eingestellte ist. Also fixiert man das Zeitenrad zunächst in einer x-beliebigen Stellung und sucht dann eine Verschlusszeit, die man eindeutig wieder erkennt. Welche kann das sein?
Richtig! B wie Bulb. So lange der Verschlussknopf gedrückt bleibt, so lange bleibt der Verschluss offen. Hat man die Zeit eindeutig zugeordnet, löst man die Arretierschrauben am Zeitenrad wieder und bringt es in die korrekte Position. Dann zieht man die Schrauben wieder fest und testet, ob alle Zeiten passen.
Jetzt ist Ludmilla obenrum wieder korrekt angezogen.
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Im nächsten Schritt werden die beiden Feder für die Andruckplatte wieder an ihren Platz gesetzt und die Platte positioniert.
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Jetzt werden die Abstandsringe (aus Papier) auf den verchromten Objektivträger geschoben und durch die vier Schrauben vor dem Verrutschen gesichert. Der Objektivträger ist von außen symmetrisch, von innen aber nicht. Die abgeflachte Seite gehört nach oben. Wenn man den Ring falsch einsetzt, funktioniert die Kamera zwar, aber der Hebelarm für die Entfernungseinstellung des Objektivs sitzt an der falschen Stelle.
Ein bisschen fummelig ist es, die beiden schwarzen Konterplatten an die richtigen Stellen zu bekommen, damit die vier Schrauben auch tatsächlich deren Gewinde treffen. Andererseits habe ich nie länger als drei Minuten gebraucht, den Objektivträger mit den Platten einzubauen.
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Und hier ist das fertige Ergebnis. Jetzt fehlt nur noch das gute alte Industar 22.
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Der Blendenring ließ sich bei meiner Zorki nur sehr schwer einstellen. Meistens – wie auch hier – liegt das an Verschmutzungen außerhalb des Tubus. Ein Tropfen Ballistol auf den Einstellring, ein paar mal hin und her gedreht, und die Blende ist wieder leichtgängig wie am ersten Tag.
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Dann löst man den federnd gelagerten Arretierknopf für den Arm der Entfernungseinstellung sowie die beiden kleinen Anschlagschrauben. Weiter zerlege ich das Objektiv nicht, reinige alles mit Ballistol und fette das Gewinde leicht mit weißer Vaseline.
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Und dann, Bruckners Siebente ist noch nicht einmal im vierten Satz angekommen, erstrahlt meine 61 Jahre alte, leicht patinierte Zorki 1c wieder in neuem Glanz. Hat Spaß gemacht.
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Zwei Gedanken zum Schluss:
Oft liest man von den erheblichen Fertigungstoleranzen russischer Kameras. Zumindest bei den Zorki 1-Modellen ist mir das noch nie aufgefallen. Ich denke auch nicht, dass man 60-70 Jahre nach der Produktion Fertigungstoleranzen überhaupt feststellen kann. Mittlerweile sind einige Dutzend Zorkis durch meine Hände gegangen. Ich habe mir aber auch sehr viele Leica II und Leica III-Kameras angesehen (bevor ich dann eine davon gekauft habe). Bei den Leicas habe ich ebenfalls poröse Verschlusstücher, unstimmige Zeiten, hängende Verschlüsse und ausgenudelte Zahnräder gesehen. Das ist eben das Alter und der Verschleiß, vor dem weder deutsche noch russische Kameras gefeit sind. Ich will damit sagen, dass eine selbst gewartete Zorki für 30,-EUR dem Sammler oder Fotografen genau so viel Freude bereiten kann wie eine Leica II für den zehnfachen Preis.
Das, was ich hier beschrieben habe, ist meine Methode zur Überholung einer alten Zorki. Ich bin kein Fachmann und reiner Autodidakt, geprägt durch Versuch und Irrtum. Keinesfalls ist dieser Fred als Reparaturanleitung zu verstehen oder als Empfehlung gemeint, mit anderen Kameras genau so umzugehen. Wer an seiner Kamera schraubt, macht das auf eigenes Risiko; auch mit der Gefahr, dass die Kamera danach nicht mehr zu gebrauchen ist.
In diesem Sinne….
Gruß
Dirk
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Der Winter ist noch nicht vorbei, also was gibt es schöneres, als bei einem Glas Rotwein und einer Bruckner Sinfonie eine alte Kamera ins Leben zurück zu holen.
Wenn mir eine Zorki 1 für weniger als 30,-EUR über den Weg läuft, dann schlage ich immer zu, und kurz darauf liegt sie bei mir auf dem Seziertisch. So sind schon einige Dutzend Zorkis durch meine Hände gegangen, die ich in der Regel nach der Revision wieder verkauft habe. Meistens bekomme ich dafür auch nur die 30,-EUR wieder, die ich ausgegeben habe. Geld verdienen kann man mit der Revision also nicht.
Es lohnt sich beim Kauf einer Zorki 1 immer, auf der Website Sovietcams nachzuschlagen, denn manchmal laufen einem echte Raritäten über den Weg, die man vielleicht nicht sofort als Besonderheit erkennt.
Hier begleite ich eine Zorki 1C von 1953 bei der Revision mit der Kamera. Ich habe sie bei ebay-Kleinanzeigen für 30,-EUR gekauft. Wenn – wie hier – in der Artikelbeschreibung das Wort „ungeprüft“ steht, funktioniert die Kamera hundertprozentig nicht mehr. In der Regel bekommt man den Verkäufer vorher nicht mal dazu, den Verschluss aufzuziehen und klacken zu lassen. Irgendwie scheinen alle Verkäufer, an die ich gerate, beide Hände bis zum Schultergelenk eingegipst zu haben.
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Diese Zorki war äußerlich in einem mittelmäßigen Zustand. Der Verschluss ließ sich zwar aufziehen, aber nicht auslösen. Eine erste Linderung brachte das Lagern der Kamera auf der Heizung, aber auch dann musste ich meistens mit einem leichten Drehen des Zeitenrads (bei gespanntem Verschluss) das Auslösen unterstützen. Das ist ein sicheres Zeichen, dass nichts kaputt ist, sondern verharztes Öl und Schmutzpartikel die Zahnräder blockieren.
So kommt also das große Herrengedeck, bestehend aus verschiedenen Schraubendrehern, Bremsenreiniger, Ballistol, Zahnbürste, Politur und Öhrli-Böhrlis auf den Tisch.
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Das Ausziehen geht immer von oben nach unten, also mit den Deckaufbauten beginnend. Die vier runden Fensterchen für Sucher und E-Messer drehe ich vorsichtig mit der kleinen Zange heraus.
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Man kann sich hundert mal vornehmen, alle Schrauben ordentlich aufzubewahren, bei mir hat das aber nie funktioniert. Deshalb habe ich es mir angewöhnt, alle Schrauben und Einzelteile mit Tesafilm auf ein weißes Blatt Papier zu kleben und den Einbauort zu notieren.
Gibt es bei der Demontage etwas besonderes zu bedenken? Vielleicht, dass sich der große Knopf nach dem Entfernen der Sicherungsschraube nicht abziehen sondern nur abschrauben lässt (normales Rechtsgewinde). Der Rest ist einfach. Das Zeitenrad ist mit zwei sehr kleinen Schrauben fixiert, das Rückstellrad mit einer großen Schraube. Beim Abziehen des schwarzen Kamerakörpers muss man vorher den Arm für die E-Mess-Kupplung eindrücken. Außerdem können die beiden Federn für die Andrückplatte leicht wegfliegen. Egal, zwanzig Prozent der Gesamtzeit liegt man sowieso auf allen vieren unter dem Tisch und sucht.
Keine 10 Minuten später steht Ludmilla nackt vor mir.
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Dann kommt der Bremsenreiniger zum Einsatz. Mit dem langen Röhrchen kann man die schnell verdunstende Flüssigkeit genau dort hin bringen, wo man sie haben will. Ich halte die Kamera über der Schüssel immer etwas schräg, damit der Bremsenreiniger ablaufen kann, ohne Teile zu kontaminieren, die besser trocken bleiben (Entfernungsmesser). Da der Bremsenreiniger mit Druck aus der Dose kommt, kann man damit sehr gut Anhaftungen lösen und ausspülen.
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In den Jahrzehnten hat sich eine ganze Menge Schmutz angesammelt und abgelagert. Mit dem Bremsenreiniger werden alle Zahnräder wieder schön sauber und freigängig.
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Starke Verschmutzungen bekommt man mit der Zahnbürste weg. Hier empfiehlt es sich, nicht die eigene Zahnbürste, sondern die eines Familienmitglieds zu nutzen.
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Die Kamera ist jetzt von verharztem Öl und Schmutz befreit und wartet auf den Ölservice.
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Mit Ballistol – wieder aus der Sprühdose mit dem langen Röhrchen – werden jetzt vorsichtig die beweglichen Teile geschmiert und überschüssiges Öl mit Haushalttüchern aufgenommen.
Auf dem Bild setze ich einen Tropfen Ballistol auf den E-Mess-Kuppler. Ich besitze eine Zorki 3, bei der war dieser Arm in seinem Lager so fest, dass er sich auch mit Gewalt ums Verrecken nicht mehr bewegen ließ. Ich habe immer wieder Ballistol draufgegeben. Irgendwann ließ er sich wieder etwas hin und her bewegen. Es war nicht damit zu rechnen, dass er wieder richtig frei federn könnte. Das Ballistol hat die Verbindung wieder völlig aufgelöst, und jetzt läuft der Arm wieder wie Vanillesauce.
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Da man wegen der Bodenladung bei einer Zorki 1 oder auch Leica II/III nur in vollständig zerlegten Zustand durch den Verschluss sehen kann, bietet sich hier die Prüfung an, ob die Verschlusstücher tatsächlich lichtdicht sind. Gerade die gummierte Seite des zweiten Verschlusstuchs löst sich im Alter gern. Es lässt sich nur in begrenztem Umfang reparieren. Das Verschlusstuch dieser Zorki hat einige kleine Löcher, durch die Streulicht fällt. In anderen Quellen wird empfohlen, Flüssiglatex für die Reparatur zu nutzen. Leider ist Flüssiglatex ziemlich teuer und auch nur in größeren Gebinden zu bekommen. Ich nutze dafür Flüssigleder, das ich zusammen mit einem Leder-Reparaturset für mein Auto gekauft habe. Mit einem Öhrli-Böhrli drücke ich die schwarze Masse hauchdünn über das Feld mit den kleinen Löchern. So lassen sich die Beschädigungen schließen, ohne dass sich die Konsistenz des Verschlusstuchs verändert.
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Die Zorki 1 C hat leider nicht mehr die schöne, unzerstörbare Haihaut-Belederung wie ihre Vorgängerinnen. Ludmilla sieht hier auch schon ganz schön abgegriffen aus. Ich schnappe mir einen Topf Hammerite-Mattlack sowie einen alten Lappen und reibe den Korpus damit halbtrocken ab, so dass zumindest etwas von der alten schwarzen Farbe wieder kommt.
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Die blanken Metallteile poliere ich mit Chrompolitur und einer Zahnbürste in den Neuzustand zurück. Danach werden sie in Ballistol gebadet und trocken gewischt.
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Halbzeit. Jetzt ist alles piccobello sauber und funktionsfähig. Nun geht´s wieder ans zusammen setzen.
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Die Haube sitzt wieder auf dem Entfernungsmesser. Die Fensterchen lassen sich gut mit der Hand einsetzen. Die folgenden zwei Bilder zeigen den „Ausguck“ des Entfernungsmessers. Dieses Fenster ist anders als die anderen drei, auch wenn es auf den ersten Blick gleich aussieht. Mit diesem Fenster wird der Entfernungsmesser in der Höhe justiert. Die kleine Öffnung rechts vom eckigen Sucherfenster ist der Eingang zu einer sehr feinen Schraube, mit dem man den Entfernungsmesser in der Seite (auf unendlich) justiert. Nur beides zusammen bringt vernünftige Ergebnisse.
Die Kamera kann man natürlich erst dann justieren, wenn man sie wieder komplett zusammengesetzt hat. Ich erzähle aber jetzt schon wie es geht:
Für das Justieren wähle ich einen symmetrisch geformten Gegenstand, der mindestens 20 Meter (also unendlich) weit weg ist. In meinem Fall nutze ich den Giebel des Nachbarhauses. Wenn das Objektiv auf unendlich gestellt ist, sollte sich das Motiv (der Giebel) im gelben Bild im E-Messfenster mit dem echten, klaren Bild genau decken. Wenn der Giebel im gelben Bild höher oder niedriger als im klaren Bild steht, dann justiert man den inneren Ring im Ausguckfenster des E-Messers mit einer Nadel. Das runde Justier-Fenster sieht man auf dem zweiten Bild im eingeschraubten Zustand. Man steckt eine Nadel in das kleine Loch und dreht den inneren Ring, bis das gelbe und das klare Bild in der Höhe deckungsgleich sind. Wenn es passt, schraubt man den Chromring wieder drauf.
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Danach justiert man die Seite, wenn die Bilder zwar in der gleichen Höhe, jedoch neben einander liegen. Jetzt kommt ein sehr feiner Schraubendreher zum Einsatz, den man in das kleine Loch rechts vom eckigen Sucherfenster steckt. Man dreht die Justierschraube jetzt vorsichtig nach links und rechts, bis beide Bilder im E-Messsucher hundertprozentig deckungsgleich liegen. Dann noch die kleine Verschlussschraube wieder rein und der Fisch ist gelutscht.
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Die beschriebene Vorgehensweise bezieht sich auf die Justierung auf unendlich. Über den Arm des E-Messers lässt sich auch die Justierung auf kurze Entfernungen einstellen. Dazu benötigt man aber eine baugleiche, korrekt justierte Referenzkamera. Bei meinen Zorkisten ist das bisher noch nicht notwendig gewesen.
Der Rest ist schnell erzählt. In der umgekehrten Reihenfolge werden die gesäuberten Teile wieder zusammen gebaut. Jedes Bauteil und jede Schraube ziehe ich vor dem Einbau durch ein Ballistolbad.
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Ein bisschen figgelinsch wird es dann, wenn man das Zeitenrad wieder aufsetzen will. Es wird von zwei sehr kleinen Schrauben auf der Welle gehalten. Es gibt dabei keine Rastpunkte, die dem Schrauber verraten, dass die angezeigte Verschlusszeit auch die tatsächlich eingestellte ist. Also fixiert man das Zeitenrad zunächst in einer x-beliebigen Stellung und sucht dann eine Verschlusszeit, die man eindeutig wieder erkennt. Welche kann das sein?
Richtig! B wie Bulb. So lange der Verschlussknopf gedrückt bleibt, so lange bleibt der Verschluss offen. Hat man die Zeit eindeutig zugeordnet, löst man die Arretierschrauben am Zeitenrad wieder und bringt es in die korrekte Position. Dann zieht man die Schrauben wieder fest und testet, ob alle Zeiten passen.
Jetzt ist Ludmilla obenrum wieder korrekt angezogen.
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Im nächsten Schritt werden die beiden Feder für die Andruckplatte wieder an ihren Platz gesetzt und die Platte positioniert.
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Jetzt werden die Abstandsringe (aus Papier) auf den verchromten Objektivträger geschoben und durch die vier Schrauben vor dem Verrutschen gesichert. Der Objektivträger ist von außen symmetrisch, von innen aber nicht. Die abgeflachte Seite gehört nach oben. Wenn man den Ring falsch einsetzt, funktioniert die Kamera zwar, aber der Hebelarm für die Entfernungseinstellung des Objektivs sitzt an der falschen Stelle.
Ein bisschen fummelig ist es, die beiden schwarzen Konterplatten an die richtigen Stellen zu bekommen, damit die vier Schrauben auch tatsächlich deren Gewinde treffen. Andererseits habe ich nie länger als drei Minuten gebraucht, den Objektivträger mit den Platten einzubauen.
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Und hier ist das fertige Ergebnis. Jetzt fehlt nur noch das gute alte Industar 22.
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Der Blendenring ließ sich bei meiner Zorki nur sehr schwer einstellen. Meistens – wie auch hier – liegt das an Verschmutzungen außerhalb des Tubus. Ein Tropfen Ballistol auf den Einstellring, ein paar mal hin und her gedreht, und die Blende ist wieder leichtgängig wie am ersten Tag.
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Dann löst man den federnd gelagerten Arretierknopf für den Arm der Entfernungseinstellung sowie die beiden kleinen Anschlagschrauben. Weiter zerlege ich das Objektiv nicht, reinige alles mit Ballistol und fette das Gewinde leicht mit weißer Vaseline.
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Und dann, Bruckners Siebente ist noch nicht einmal im vierten Satz angekommen, erstrahlt meine 61 Jahre alte, leicht patinierte Zorki 1c wieder in neuem Glanz. Hat Spaß gemacht.
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Zwei Gedanken zum Schluss:
Oft liest man von den erheblichen Fertigungstoleranzen russischer Kameras. Zumindest bei den Zorki 1-Modellen ist mir das noch nie aufgefallen. Ich denke auch nicht, dass man 60-70 Jahre nach der Produktion Fertigungstoleranzen überhaupt feststellen kann. Mittlerweile sind einige Dutzend Zorkis durch meine Hände gegangen. Ich habe mir aber auch sehr viele Leica II und Leica III-Kameras angesehen (bevor ich dann eine davon gekauft habe). Bei den Leicas habe ich ebenfalls poröse Verschlusstücher, unstimmige Zeiten, hängende Verschlüsse und ausgenudelte Zahnräder gesehen. Das ist eben das Alter und der Verschleiß, vor dem weder deutsche noch russische Kameras gefeit sind. Ich will damit sagen, dass eine selbst gewartete Zorki für 30,-EUR dem Sammler oder Fotografen genau so viel Freude bereiten kann wie eine Leica II für den zehnfachen Preis.
Das, was ich hier beschrieben habe, ist meine Methode zur Überholung einer alten Zorki. Ich bin kein Fachmann und reiner Autodidakt, geprägt durch Versuch und Irrtum. Keinesfalls ist dieser Fred als Reparaturanleitung zu verstehen oder als Empfehlung gemeint, mit anderen Kameras genau so umzugehen. Wer an seiner Kamera schraubt, macht das auf eigenes Risiko; auch mit der Gefahr, dass die Kamera danach nicht mehr zu gebrauchen ist.
In diesem Sinne….
Gruß
Dirk
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